Kreis-Anzeiger vom 27. November 2010

Böhmische "Klassiker", Miniaturen und Minimalismus                        

Erica Kernstock präsentiert in ihrem Museum Weihnachtskrippen aus aller Welt                                                                                                                           

von Iris Hartebrodt

Gleich rechts in der ersten Vitrine erblickt man Maria, Josef und Jesus als Miniaturen, grazil und naturnah in der Krippe vereint, davor Hirten und Schafe. Im Hintergrund die Stadt Bethlehem, in der die Menschen ihren Geschäften nachgehen und keinen Blick dafür haben, dass Gott zur Welt gekommen ist. Die Krippe aus Pfaffenhütchenholz von 1900 aus Königsberg im Egerland stand im Klostermuseum in einer Krippenausstellung in Waldsassen. Nun ist sie zum ersten Mal im Weihnachtskrippen-Museum von Erica Kernstock im Niddaer Stadtteil Ulfa zu sehen.

Die böhmische Kastenkrippe ist jedoch nicht ihr einziger Liebling. Erica Kernstocks Augen strahlen, wenn sie über ihre Schätze aus Europa, Afrika, Asien und Amerika, wandern. Zu jedem Exponat kann sie eine Geschichte erzählen. "Die Krippe aus Oberammergau ist von 1975. Die Figuren wirken wie vom Bildhauer Barlach. Oder hier: 1970 sind erstmals Holzschnitzereien nach neapolitanischem Stil im bayerischen Raum aufgetaucht, mit Händen und Köpfen aus Lindenholz und Körpern aus Textil."
Fast jeder Mensch hat eine Vorstellung von einer Weihnachtskrippe: Maria und Josef mit dem Jesuskind gehören dazu, ebenso Tiere im Stall. Vielleicht leuchtet darüber der Weihnachtsstern. Manchmal finden sich noch einige Hirten ein, zuweilen auch die Heiligen Drei Könige. Als Beginn der Weihnachtskrippen-Kultur gilt ein Weihnachtsfest von Franz von Assisi in 1223. In einer Höhle bei Grecchio in Italien wurde eine Futterkrippe mit einem lebenden Ochsen und Esel aufgebaut zur Verdeutlichung, dass der allmächtige Gott aus Liebe zu den Menschen in ihre Armut gekommen ist. In der Phase der Gegenreformation fanden Weihnachtskrippen durch die Jesuiten eine systematische Verbreitung. Als "politisch korrekt" galt fortan vom Betrachter aus links der Ochse, dann Maria, in der Mitte das Jesuskind, rechts Josef, ganz rechts der Esel. Der Ochse steht als koscheres Tier als Sinnbildfür Israel, die Hirten als Nachfahren König Davids kommen von links. Von rechts, der Seite des Esels als Sinnbild für das Heidentum, ziehen die Könige aus Europa (Balthasar), Asien (Melchior) und Afrika (Caspar) heran.

Mit zunehmender Beliebtheit des Aufstellens von Weihnachtskrippen entwickelte sich im 18. Jahrhundert eine regelrechte "Krippen-Manufaktur". Insbesondere in Schlesien, Böhmen und Mähren lebten ganze Landstriche vom Schnitzen von Krippenfiguren. Diese Erfolgsstory fand Nachahmer mit eigener Charakteristik in Südtirol und Oberbayern. Inzwischen haben die Weihnachtskrippen ihren Siegeszug um die ganze Welt angetreten.

In Erica Kernstocks Museum möchten einem die Augen übergehen über die Vielfältigkeit der Ausgestaltungen. Allein die Materialien rangieren von Bekanntem bis Ungewohntem: Buche, Linde, Zinn, Papier hinter Glas in sogenannten "Arme-Leute-Krippen" aus Trebitsch, Bananenblätter aus Afrika, Maisblätter aus der Tschechoslowakei, Glasfiguren aus Norwegen, Tonkrippen aus Portugal. Ästhetische Vorstellungen der Jahrhundertwende, der Moderne und Postmoderne finden in Kastenkrippen, Bauhausstil und minimalistischen Stilisierungen ihren Ausdruck. Die Künstler stellen großformatige Landschaften dar bis hin zu Miniaturen in Streichholzschachteln. Die kleinste Krippe der Welt ist ein aus einem Kirschkern geschnitzter Winzling. Jede Krippe spiegelt das Umfeld wider, in dem sie entstanden ist. Jeder Künstler, wo auch immer auf der Welt, hat Gottes Sohn zum "Mitmenschen" gemacht, ihn in seine Gemeinschaft aufgenommen. So trägt das Jesuskind in Peru ein Inkakäppchen, Lamas bewachen seinen Schlaf. Im kalten Finnland trägt es eine Wollmütze. In Nepal teilt es sich die Herberge mit Yaks, in Portugal darf ein Hahn nicht fehlen. Die tansanianische Heilige Familie ist dunkelhäutig. Dabei muss der Künstler nicht unbedingt ein Christ sein: Eine Messingguss-Krippe aus Burkina Faso stammt beispielsweise aus einem islamischen Männerkloster.

Die Exponate stammen aus Versteigerungen, von Messebesuchen, Urlaubs-reisen, Flohmärkten und Auflösungen. Besonders gefällt der gebürtigen Ulfaerin, wenn sie mit dem Erwerb der Krippen Gutes tun kann: "Ich beziehe viele in Missions-Hilfsprojekten hergestellte Krippen aus dem Fair-Handel."

Rund 120 Krippen aus aller Welt hat Erica Kernstock im Laufe von 30 Jahren gesammelt, 60 bis 70 davon sind in ihrem Privathaus in Ulfa in der Steinstraße 34 zu bewundern. "Vor sieben Jahren habe ich das erste Mal den Nachbarn und dem Dorf mein Hobby vorgestellt. Das kleine Museum ist von Mal zu Mal ein bisschen gewachsen" erzählt die Sammlerin.

Der Ausstellungsraum, ein kleiner renovierter Stall, hat durch das bleigefasste, hinterleuchtete Buntglasfenster und die kirchenschiffartige Einteilung etwas Sakrales. Bis zum 18. Dezember kann man die Exponate täglich von 14 bis 18 Uhr besichtigen. Gruppen können sich auch zu andern Zeiten telefonisch mit Erica Kernstock verabreden. Der Eintritt ist frei.

Sonntagsanzeiger vom 21. November 2010, Seite 5

Christi Geburt in vielen Ländern des Erdballes

Krippenmuseum Ulfa zeigt ab morgen seine Schätze - Eintritt frei

ULFA (pd). Die Leidenschaft von Erika Kernstock sind Krippenfiguren. Ihr Interesse liegt nicht nur in der besonderen Ausführung, sondern auch in der Geschichte, der Kultur, den Manufakturen und Künstlern oder den besonderen Umständen, in denen die Figuren und Inszenierungen entstanden sind. Rund 70 ausgesuchte Weihnachtskrippen ihrer Sammlung sind ab dem 22. No-vember bis zum 18. Dezember in der Steinstraße 34 im Niddaer Ortsteil Ulfa ausgestellt. Mitten in dem für die Region typischen Dorf wurden ehe-malige Hofgebäude nun als Ausstellungsraum gestaltet. Die Krippen verraten viel über die Kulturen, aus denen sie stammen. Es gibt ganz kleine Krippen zu sehen, die in einer Nussschale unterzubringen sind, daneben feine Schnitzereien, Krippen aus Papier, Bananenblättern, Glas oder Zinn. Kernstock weiß zu jeder Krippe etwas zu erzählen und legt Wert darauf, ein unterschiedliches Spektrum zu zeigen. Natürlich gibt es Krippen aus Deutsch-land, Südtirol, Böhmen und dem Egerland zu bewundern, aber auch aus Skandinavien, Afrika, Südamerika wurden Stücke zusammengetragen, die unterschiedliche Fertigkeiten und Kulturen abbilden. Alle Krippen sind be-schriftet. Nach der Ausstellung lädt der kleine Museumsshop mit kunstge-werblichen Artikeln zu einem Besuch ein, oder ein Glas Glühwein sorgt für Atmosphäre.

Die Aussstellung ist täglich von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Für Gruppen auch zu anderen Zeiten nach Vereinbarung. Der Eintritt st frei. Kontakt und Infor-mationen bei Erika Kernstock, Telefon 06043/985257 und 0641/9727339, www.weihnachtskrippen-museum.de.



Oberhessische Zeitung und Lauterbacher
Anzeiger - Sonderbeilage "Auf dem Vulkan" Dezember-Ausgabe 2010, Seite 20

Kunstwerke in der Nussschale                                                                   Privates Krippenmuseum in der Wetterau zeigt vier Wochen lang seine Schätze

Derselbe Text wie vorstehend

Frankfurter Rundschau vom 26. November 2010
- Sonderbeilage "Weihnachts-Rundschau", Seite A5

Frohe Botschaft aus dem Stall. Das Weihnachtskrippen-Museum in Nidda stellt Exponate aus der ganzen Welt aus

 von Sonja Thelen

Ganz nah muss der Betrachter an den Glaskasten treten, sich vorbeugen und durch das Vergrößerungsglas blicken: Dann entdeckt er eine hauchfein geschnitzte Krippe, in der Maria, Josef und das neugeborene Kind Unterschlupf gefunden haben. Die Krippe sei gerade einmal 3 Millimeter hoch, erzählt Erica Kernstock vom Weihnachtskrippen-Museum in Nidda-Ulfa im Wetterau-Kreis. Ein äußerst seltenes Exponat ist diese Miniatur-Krippe. Sie besteht aus nur einem halben Kirschkern, erklärt Kernstock. Nur mit der Lupe sind all die feinen Details zu erkennen wie die Mini-Kerzen für die Weihnachtspyramide, die neben der Krippe stehen. Vor gut drei Jahren ist Erica Kernstock auf diese Krippe gestoßen, die mit Hilfe einer speziellen Lastertechnik von einer Drechslerei im Erzgebirge gefertigt wurde."Ein kleineres Exponat ist mir nicht bekannt", sagt sie stolz über ihr besonderes Ausstellungsstück.

120 Weihnachtskrippen aus verschiedenen Epochen und Kontinen-ten                                                                                                                           Seit sechs Jahren öffnet die 62-Jährige während der Adventszeit die Pforten ihres außergewöhnlichen Museums für ein paar Wochen und präsentiert ihre zirka 120 Stücke umfassende Sammlung. Zu sehen ist ein beeindruckender Querschnitt von Weihnachtskrippen aus der ganzen Welt und verschiedenen Epochen. Ein Teil stammt aus dem Erzgebirge, Südtirol oder Böhmen (Tschechien) wie eine Grulich-Wandkrippe von 1900 - eine Laubsägearbeit. Fröhlich bunt zeigt sich eine Tonkrippe aus Peru, während eine andere Krippe, ebenfalls aus dem südamerikanischen Land, aus einem Kürbis geschnitzt und dann aufwendig bemalt wurde. Viele kommen aus afrikanischen Ländern, wie eine Krippe aus Burkina Faso, die aus Altmetall- und Messingteilen besteht. "Die hat mit ein Pastor gegeben, der sie wiederum aus einem islamischen Männerkloster hatte. Ist das nicht erstaunlich?" sagt Erica Kernstock. Ihre persönlichen Favoriten sind aber modern gestaltete Krippen, "reduziert in ihrer Form" wie ein Exemplar von 1995 aus dem Erzgebirge, gefertigt von Björn Köhler, das mit einem Designpreis ausgezeichnet worden ist. Oder auch eines aus Weimar im Bauhaus-Stil bestehend aus heimischen Hölzern, die die einzelnen Figuren nur stilisiert darstellen. Eines von Erica Kernstocks neuesten Ausstellungsstücken ist eine Krippe aus Keramik, bunt und glasiert, die sie im vergangenen Jahr in Paris aufgestöbert hat. Niedlich sei das Werk aus Peru, bei dem die einzelnen Figuren aus gestrickten Fingerpuppen bestehen. Die exotischste Krippe ist für Erica Kernstock die aus Mali: "Eine Blechkrippe, die Jugendliche aus alten Insektizidbehältern zusammengeschweißt haben."  Ein besonders wertvolles Exemplar ihrer Sammlung ist eine Zeller Krippe aus Südtirol. Andächtig stehen Maria und Josef vor der Krippe, in der ihr neuge-borener Sohn Jesus liegt. Ehrfürchtig betrachten die Heiligen Drei Könige ihren Heiland. Nacheinander wollen die Weisen aus dem Morgenland ihre wertvollen Gaben Gold, Myrrhe und Weihrauch dem Heiland überreichen. Die Hirten versammeln sich um den Stall und verfolgen dieses wundersame Ereignis mit ihren Tieren. Filigran geschnitzt sind die Figuren, die Krippe wirkt wie einBauernhof aus dem alpenländischen Raum. Kein Wunder: Das Haus hat einSüdtiroler Bauer liebevolle gefertigt mit so feinen Details wie einem Rebholz
gebundenen Zaun, einem Weinstock an der Mauer oder zum Trocknen aufgehängten Maiskolben. Seine Kinder, die nach Usingen gezogen sind, überließen EricaKernstock diese Unikat für ihr Museum.

Ihre Leidenschaft für Weihnachtskrippen begann bereits als Teenager. "Wir waren damals bei einer befreundeten Familie in Hamburg zu Besuch. Diese hatte eine wunderschöne, handgemachte Krippe. Mich beeindruckte, wie zärtlich Maria ihre Hand nach dem Kind ausstreckte. Ich habe mir damals vorgenommen, mir selbst eine schöne Krippe zu kaufen, sobald ich dafür genügend Geld haben sollte", erzählt Erica Kernstock. Zehn Jahre später war es so weit: Eine Krippe aus Südtirol bildete den Grundstock ihrer Sammlung. Auf Urlaubsreisen mit der Familie schaute sie sich immer um, kaufte manch-mal zunächst nur die Heilige Familie und bei den nächsten Urlauben suk-zessive die weiteren Figuren dazu. "Als junge Familie hatte man dafür nicht immer das Geld." Aber auch ihre Geschwister brachtenihr einzigartige Krippen mit, vor allem der Bruder, der oft in fernen Ländern auf Montage war, oder ihre Söhne.

Die Geschichte vom Jesuskind wird in jedem Land anders interpre-tiert                                                                                                                        Aber auch mit dem theologisch-religiösen Hintergrund befasst sich Erica Kernstock. "Das Thema fasziniert mich. Immerhin steht es für den Beginn unserer christlichen Kultur. Es beeindruckt mich, dass Gott zu den Armen kam und auf seine Macht verzichtet hat." Und es gefällt ihr, wie die Geschichte in den verschiedensten Ländern künstlerisch interpretiert wird. Die Idee, die Sammlung öffentlich zu machen, hatte schließlich ihr Mann Friedhelm Kernstock. Er schlug vor, ein Museum im Elternhaus seiner Frau einzurichten. Zugleich löste er damit ein Versprechen ein: Der frühere leitende Daimler-Manager hatte seiner Frau zugesagt, sobald er im Ruhestand sei, würden sie gemeinsam ein Projekt realisieren, das ihr am Herzen liegt. "Und er hat das Wort gehalten."

Das Weihnachtskrippen-Museum in der Steinstraße 34, 63667 Nidda-Ulfa ist bis Samstag, 18. Dezember, täglich von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei. Informationen unter www.weihnachtskrippen-museum.de